José Carlos Arévalo
entnommen aus 6 toros 6, Semanario de Actualidad Taurina, No 899, 20. September 2011, S. 3:
Adiós a Barcelona
La opinión del director
übertragen aus dem Spanischen von Andreas Krumbein
Als ich in den 60er Jahren in Barcelona lebte, waren die Corridas de Toros noch kein Schauspiel, das sich gerade noch über Wasser halten konnte. Allerdings litt es unter einer eigenartigen Situation: Die Plaza Monumental verzeichnete hohe Besucherzahlen, es fanden viele Stierkämpfe statt, auf den Plakaten wurden fast immer die Größen des Stierkampfes angekündigt und die Einwohner der Stadt zeigten eine ausdauernde Entschlossenheit, dass man ihnen neue Toreros präsentiere, sowie die Novilladas die Aficionados gleichermaßen anzogen wie die Corridas. Das eigenartige der Situation bestand darin, dass die Tageszeitungen bereits kaum mehr über die Stiere berichteten. Das taten sie verstärkt zugunsten anderer Veranstaltungen, zugunsten von Spielen, die damals viel weniger Menschen zusammenbrachten, wie Basketball oder Feldhockey.Nichtsdestotrotz glaube ich nicht, dass diese unfaire, informatorische Diskriminierung die Folge einer irgendwie gearteten Weisung war. Ich habe in jenen Tagen festgestellt, dass meine Arbeitskollegen und die Leute allgemein, meine Vorliebe für den Stierkampf für etwas Erstaunliches hielten, fast für eine Verschrobenheit. Tatsächlich war die Fiesta de Toros schon eine Minderheitenerscheinung.
Die Rücksicht gegenüber Minderheiten: Hier hat das Problem seine Wurzel. Dies ist der demokratische Grundsatz, den das amtliche Katalonien über Bord warf, indem es in seinem Parlament die Existenz der Corridas de Toros einer Abstimmung unterwarf, die in vorhersehbarer Weise günstig für deren Verbot war. Eine Abstimmung, die man, meiner Meinung nach, nur schwer wieder umkehren kann. Wer ist so kühn, dass er imstande wäre, einem Parlament die Souveränität in Abrede zu stellen?
Ortega Y Gasset sagte - Und verzeihen Sie mir, dass ich den Gemeinplatz erneut wiederhole! - , dass die Corridas de Toros ein getreues Abbild der spanischen Wirklichkeit sind. Und er sagte es zu Recht. Wenn wir als Beispiel die Abschaffung der Corridas de Toros nehmen, stellen wir fest, dass das Tierschutzalibi, mit dem sie begründet wird, von innen heraus betrügerisch ist, denn die Fiesta de Toros ist der Garant des Existenz des Stieres und seines Lebensraumes. Wenn man ökologische Argumente anführt, werden wir zu dem Schluss kommen, dass der Tod des Stieres in der Plaza de Toros das demographische Gleichgewicht des Viehbestandes in freier Wildbahn garantiert. Wenn wir ethische Gründe heranziehen, werden wir erkennen, dass die Grausamkeit einer Vorführung, die auf der Situation „Mensch in Gefahr“ beruht, verschwindet, eine Gefahr, hervorgerufen durch den Stier, die die Verbundenheit der Menschen mit dem Menschen in Gefahr erzwingt. Und wenn wir uns auf eine Ethik der Ästhetik berufen, begreifen wir, dass das Kämpfen mit den Stieren die kunstvolle Erwiderung auf die bloße Gewalttätigkeit des wilden Tieres ist, die Unterwerfung seiner Gewalttätigkeit unter einen harmonischen Rhythmus der Kunst, genau dies ist das höchste Gefallen, das der Aficionado im Stierkampf findet, und es ist die Rechtfertigung der Opferung des Stieres.
Nein, man hat in Katalonien die Corridas de Toros nicht aus den vorgegeben Gründen derer, die die Abschaffung erzwingen wollen, verboten; diese Gründe halten nicht mal der geringsten Prüfung stand. Die Corridas de Toros hat man verboten wegen der Unreife des katalonischen Nationalismus, eines Nationalismus, der sich nicht aus sich selbst heraus nährt, sondern aus dem Widerstand gegen dasjenige, das er selbst als von außen kommend ansieht. Und erstaunlicherweise sieht er eine Festveranstaltung als von außen kommend an, die seit Jahrhunderten im gesamten Südwesten Europas verwurzelt ist.
Angesichts des Unrechts wird die Niederlage noch bitterer. Damit werden die beiden letzten Corridas, die man während der letzten Feria de La Mercé feiern wird, wie erfolgreich sie auch ausgehen mögen, zum Schwanengesang eines offenen Katalonien, eines Katalonien der Vielfalt, es ist unwiederbringlich ausgelöscht. Es passt jetzt schon keine Veranstaltung nach Katalonien, die angeblich ein Angriff ist auf die Identität des: Volkes? Oder des Bürgertums? So wie keine andere Verkehrssprache als das Katalanisch nach Katalonien passt, nicht einmal die offizielle Sprache desjenigen Staatswesens, zu dem Katalonien gehört, die Muttersprache einer großen Mehrheit der Katalanen. Oder wie ist das?
Welch eigentümliches zeitliches Zusammentreffen. Schließung der Plaza Monumental und Schulboykott des Kastilisch. Die Stiere, Spiegel der spanischen Gesellschaft: das Katalonien, in dem alle gleich sind, ist auf dem Vormarsch. Es scheint nicht, als hätte sich Don José geirrt.
Dr. Andreas Krumbein, 20. März 2012